Crashkurs auf der Rur

Die Sonne scheint und heute hat die Lahn sogar etwas Strömung. Vorne bei mir im Boot sitzt Julius, unser neuestes Mitglied. Mit einem Mal greift er mit beiden Händen das Paddel am Schaft, macht 2 Schläge links, 2 Schläge rechts und wieder 2 Schläge links. Grinsend dreht er sich um und sagt: „Guck mal, Carmen, ich bin ein Leihbootfahrer!“  Ich lache.

Es ist noch gar nicht lange her, da war ich auch ein Leihbootfahrer auf der Lahn und machte 2 Schläge links … und ich war gar nicht so schlecht, dachte ich. Tja und dann war ich das erste Mal mit Chris auf dem Blausteinsee, machte Bekanntschaft mit dem J-Schlag und musste erkennen, dass ich vom Paddeln keine Ahnung hatte.

Glücklicherweise war ich damals nicht allein und hatte wie alle neuen EKC-ler technische Defizite. Um die neuen Mitglieder Ardèche-tauglich zu machen, wurde deshalb im Januar/ Februar 2005 ein Canadier-Crash-Kurs für erwachsene Neu-Mitglieder unter Leitung von Sven durchgeführt. Die Kursteilnehmer brachten unterschiedlichste Voraussetzungen mit. Da war ich mit jahrelanger Leihbootfahrer-Technik, da gabs absolute Anfänger und welche, die nach 2-tägigem Studium einer Lehr-DVD schon alles konnten.

Der Crash-Kurs fand  – wie sollte es auch anders sein – im Bootshaus statt. Zuerst stand Theorie auf dem Lehrplan. Wir machten Bekanntschaft mit Bogenschlag und Ziehschlag, übergegriffenen Ziehschlag und natürlich dem J-Schlag. Ausführlich lernten wir auch die Bedeutung von Kehrwasser, Seilfähre und Rückwärtspaddeln kennen. An Stühlen und Tischen übten wir Palstek und halbe Schläge zum Befestigen der Boote auf dem Hänger. Zum Schluss machte Sven noch die üblichen Witze und Demonstrationen zum Thema Wurfsack. Das Tragen einer Schwimmweste wurde natürlich auch empfohlen, auch wenn Klaus meinte, er könne ja schwimmen und auf dem Stausee sei das nun doch etwas übertrieben ….

Paddler sind glücklicherweise multi-task-fähig und so hatten wir während der Theorie bereits Kuchen und Plätzchen geknabbert, Kaffee getrunken und konnten jetzt direkt zur Praxis auf dem See starten. Boote und Paddel wurden schnell verteilt und bald tummelten sich alle Paddellehrlinge mit Sven auf dem Wasser. Das Wetter war sonnig und die dünne Eisschicht auf dem See konnte die gute Laune nicht trüben. Nach den ersten eigenständigen Schlägen sammelte Sven die Gruppe um sich. Das dauerte etwas länger, da noch keiner die Bedeutung von Svens merkwürdigen Armzappeleien kannte. Das wurde dann zuerst nachgeholt und wir wussten nun, dass eine kreisende Handbewegung „Sammeln“ meint.

Der erste Paddelschlag, den wir üben sollten, war der Bogenschlag. Einer vorn, einer hinten, um das Boot zu drehen. Wir verteilten uns auf dem See, damit jeder ausreichend Platz zum üben hatte. So war es  zumindest  geplant. Aber ein Tumult hinten im Eis hielt uns davon ab, weil auch Klaus und Aino den Bogenschlag üben wollten. Leider hatten sie die wichtigste Regel des Paddelns nicht eingehalten: Vor dem Ausführen JEDER  Aktionen erst mit dem Paddelpartner abstimmen! So übten die beiden dann ihre erste Kenterung im eisigen See. Aino konnte sich in ein anderes Boot retten, Klaus wurde von einem zweiten Canadier an Land gezogen. Schwimmwesten wären jetzt bestimmt eine gute Unterstützung gewesen. Sven zeigte, dass er von situationsbezogener Pädagogik etwas gehört hat und demonstrierte uns die Bergung eines Canadiers auf einem See.

Im Bootshaus war mittlerweile die Gemüsesuppe fertig und nach einer warmen Dusche waren auch die beiden Eisschwimmer bereit, ein zweites Mal an diesem Tag auf dem See zu paddeln. Den Abschluss unseres Kurses bildete eine Paddeltour im Schnee auf der Rur. An diesem Tag hatte die Strecke von Heimbach bis Abenden gefühlte 20 km, da wir jedes Kehrwasser angefahren haben und Seilfähren ohne Ende gefahren sind. Aber trotz einer Kenterung direkt nach der ersten Kurve waren an diesem Tag keine Leihbootfahrer mehr auf der Rur unterwegs. (Carmen Nischik)