Jugendwanderfahrt im August 1997 auf der Moldau – fast bis Prag

Das Gepäck türmt sich im Auto, das Chaos breitet sich aus, die EKC-Jugend geht auf Wanderfahrt, aber vorher machen wir noch einen Abstecher zum Bärenloch. Wir, die Autofahrer Chris, Sven Patric und ich, nämlich Michael, sind mit dem Auto nach Tschechien unterwegs und da auf dem Weg der Regen liegt, sind wir mal eben ……  den Regen im Regen von Regen nach Schnitzmühle gepaddelt – schönstes, spritziges WW II-III – dazu gehört das Bärenloch, von dem Chris sagt: „Keiner von uns weiβ, wo es ist, aber wenn du drin bist, weiβt du es und bist glücklich, diesen Schwall zu überstehen.“ Dann gab es noch den Gumpenrieder Schwall, aber auch den haben wir überstanden, natürlich immer mit vorbildlicher Wurfsacksicherung. Am nächsten Morgen sind wir nach Tschechien aufgebrochen, damit wir für die Zugfahrer rechtzeitig ein gemütliches Lager richten konnten. Was dann geschah könnt ihr in unserem Tagebuch nachlesen:

So 27.7.: … 5.00h morgens – Aufregung am Aachener HBf – Christian und Sebastian haben ihre Ausweise vergessen, Martin war der Meinung, dass eine Kopie desselben reicht. Calle schafft es noch, die fehlenden Ausweise nach Düren zum Bahnhof zu bringen, Dorothee verpasst leider den Zug um 3 Minuten und muss bis Köln durchstarten … 19.08h Ankunft am Zeltplatz  Soumarsky Most in Volary mitvorzüglichen Freiluftklos und Naturduft. Das Lager steht schon, das Abenteuer kann beginnen.

Mo 28.7.: … Lagerleben, Probepacken und Unterstellen der Autos … abends gemütliche Runde unter freiem Himmel in einer echt tschechischen Kneipe. Beim Rückweg zum Zeltplatz  spannt sich ein sternklarer Himmel über uns und Nic hat das dringende Bedürfnis, sich auf die Straβe zu legen und diesen Himmel zu betrachten. Warum nicht! Warum nicht wir alle, dann noch die Füβe in die Luft strecken und man hat man das Gefühl, am Himmel zu gehen!

Di 29.7.: … wir stehen um 7.00h auf und haben um 10.00h tatsächlich alles! in den Booten verstaut. Die Moldau schlängelt sich durch den  Naturpark Böhmenwald, die Ufer sind gesäumt vom unzähligen Blumen. Wir kommen flott voran  … unsern Speiseplan wollen wir heute mit Eier und Salat aus dem Supermarkt ergänzen. Doch der hat schon zu, also gibt´s Speck mit Zwiebeln ohne Ei, dazu keinen Salat mit Kartoffelpüree, das eher an Kartoffelklöβe erinnerte … die Klos auf dem Zeltplatz in Nova Pechaben Klobrillen und Wasserspülung, das Wasser ist zwar immer noch kalt, kommt aber aus einem Hahn und nicht aus der Pumpe! … 26,4km  

Mi 30.7.: … Wir paddeln über den Lippnostausee, dessen Strömung gegen null (stimmt) und Windrichtung gegen Staumauer (stimmt nicht, wissen wir aber noch nicht) gehen soll. Deswegen werden Bäume gefällt, mit deren Hilfe wir aus den Canadiern 3 Katamarane und 1 Trimaran bauen. Sebastian legt wert darauf, dass er mit Kerstin  im Red Funky Phantom (Wanderkajak) allein gegen Wind und Wellen kämpfen musste (Welchen Wind, welche Wellen?) … der flotte Dreier war wohl immer weit hinten, weil sie mehr damit beschäftigt waren, bei dem kleinsten Windhauch ihr Segelprovisorium zu hissen … es ist so heiβ, dass wir Stunden verlieren durch das Einreiben diverser Körperteile. Ausgenommen davon natürlich die beiden Kajakfahrer, die stattdessen in den Neos im eigenen Saft schmoren … der geplante Zeltplatz ist leider voll, die Mädels hoffen allerdings auf eine zivilisierte Dusche, während der Einkaufstrupp auf Supermarktsuche geht … zu blöde, man braucht Duschmarken und die gibt´s erst wieder morgen früh. Wütend aber entschlossen stapfen wir zum Waschhaus, um uns wenigstens der Waschbecken zu erfreuen, indem wir uns splitterfasernackt vor dieselben stellten, um Kopf und Gliedmaβen mit Wasser zu überschütten … wir paddeln weiter in den Abend hinein, ein wunderschöner Sonnenuntergang be­gleitet uns die letzten Kilometer,  über den See legt sich ein leichter Dunst und am Ufer steigen von unzähligen Lagerfeuern Rauchsäulen in die Luft, bis wir schlieβlich am Rande der Krise einen Zeltplatz finden – mit heiβer! Dusche. In Rekordzeit (20.45h – 21.30h) steht das Lager … morgen brauchen wir die Boote nicht ins Wasser zu lassen, die Etappe haben wir heute schon mitgepaddelt, über stehendes Gewässer , ohne Wind, allenfalls Rückenwind. Morgen geht´s mit LKWs bis zum nächsten Zeltplatz in Vyssibrod … 34,2km

Do 31.7.: … die Sonne knallt vom Himmel, die Krisen von gestern vergessen und zwischen packen, spülen und duschen bleibt noch Zeit für ein Bad im See und eine Kurzwäsche für gestresste Küchentücher. René, Bodo, Michael, Sven, Martin, Jan und Patric fahren mit der ersten LKW-Fuhre, um schon mal die Tipis aufzubauen, da dunkle Wolken aufziehen … bei unserer Ankunft entlädt sich ein fürchterliches Gewitter mit wolkenbruchartigen Regenfällen. Die groβen Jungs ackern wie blöde, um die Zelte sturmfest zu verankern und hacken Gräben, damit die Wassermassen abflieβen können … der Himmel lichtet sich doch noch, aber der Boden ist vollends aufgeweicht und deshalb wird heute im Tipi gekocht. Arne hat die ehrenvolle Aufgabe den Porree, den Nic versehentlich in den Abfall geschüttet hat, wieder rauszusuchen oder die kleingeschnittenen Paprikastückchen von Indra, die ich auch aus Versehen umgeschmissen habe, vom Boden aufzuheben und so gut es geht zu säubern …

Fr 1.8.: … Lagerleben und Kultur. Die alte  Bibliothek des Klosters in Vissybrod mit ca. 70.000 Büchern, fast alle uralt, mit Goldschnitt und sorgfältigst in alten, hohen Regalen aufgereiht, fasziniert sogar unsere kulturscheue Jugend …

Sa 2.8.: … die Hoffnung auf besseres Wetter war vergeblich. Wir schaffen es mal grade, die ganzen Klamotte trocken in die Boote zu verstauen, das Lagerleben bekommt System! Vor uns liegt eine Strecke mit 7! Wehren … es regnet wieder und trotz hartnäckigem ignorieren müssen wir doch die Regensachen anziehen. Einigen wird´s ganz schön kalt, die Stimmung sinkt und lässt sich nur durch eine lila Pause etwas heben. Wir kommen unheimlich flott voran, die Moldau hat gut Wasser, wieso denn bloβ? Die Landschaft ist irre: wir paddeln durch einen Märchenwald, überall versteckte kleine Lichtungen, bis dicht ans Ufer reicht dichter, wilder Mischwald. über der Moldau dampft das Wasser, weil sich die Sonne durch die Wolken gekämpft hat … nach erfolgreichem Treideln bei einem der Wehre erwartet uns eine Schwallstreck. Ich sitze mit Heiner schon im Boot, Michael hält die Leine und Bodo will gerade einsteigen, als Michael die Leine durch die Hand rutscht. Wir treiben vom Ufer ab und Bodo kann nur noch mit einem Hechtsprung auf´s Boot springen … gut gelaunt landen wir schlieβlich inKrumlov. In der Hoffnung auf heiβe Duschen werden sofort die sanitären Anlagen erkundet – Fehlanzeige. Das sind mit Abstand die schlechtesten … abends erstürmen wir eine Pizzeria. Leider fasst der Ofen nur 5 Pizza, also wollen einige noch eine weitere Pizza wo andere nicht mal ihre erste haben. Trotzdem steigt die Stimmung mit zunehmender Dunkelheit und sogar die beiden Nesthäkchen sind bis spät in die Nacht topfit. Wen wundert´s bei Elsa, hat sie doch einen groβen Teil der Tagesetappe verschlafen … für den Rückweg  heiβt es erst Ein Hut, ein Stock, ein Damenunterrock und vorwärts, rückwärts, seitwärts, ran, in die Hocke, hoch das Bein! und punkt Mitternacht auf  einer MoldaubrückeAnlässlich des Geburtstages unseres ehrenwerten Jugendsprechers René ein dreifaches EKC Ahoi!“ ...33km

So 3.8.: … zum Frühstück gibt´s ein Sträuβchen und 19 Kerzen für René und leider keine frischen Brötchen. Die Sonne knallt vom Himmel. Auf dem Fahrtenplan steht Waschtag, mangels Waschmaschine steigen Indra und ich in die Moldau und waschen, waschen, wasch … aber bei dem Wetter sind bald alle in der Moldau, ein Seil ersetzt die Rutschbahn, ein Baumstumpf das Sprungbrett und mit der Schwimmweste kann man sich hervorragend die Moldau runtertreiben und anschlieβend mal eben mit Schlamm von Kopf bis Fuβ einschmieren lassen …

Mo 4.8.: … Krumau ist ein kleines, verwinkeltes Städtchen mit enge Kopfsteinpflastergassen. Nach einer Stadtführung erkunden wir den barocken Schlossgarten, einige genieβen den Ausblick vom Schlossturm, andere kaufen sich bunte Gauklerhüte. Auf dem Weg zum Lager wollen wir einkaufen. Für den Supermarktmensch der Marke Tscheche-unfreundlich waren wir potentielle Ladendiebe und wurden auf Schritt und Tritt bewacht … Es gibt geschichteten Gemüsetopf nach dem Motto Gehen wir essen oder wollen wir satt werden?  Gestern waren wir nämlich alle ganz fein, typisch böhmisch essen:  Suppe, Schweinebraten mit Knödel und Sauerkraut, Pfannekuchen und anschlieβend mussten wir noch mal bei dem schon bekannten Pizzeriabäcker Marke Tscheche-freundlich einkehren … Abends riesiges Lagerfeuer mit alten Munitionskisten …

Di 5.8.: … Wir paddeln 16,7km bis Zlatá Koruna 

Mi 6.8.: … Vor uns liegen 27km bis zum Stadion von Fussballclub Dynomo Budweis, wo wir mit persönlicher Erlaubnis des Präsidenten  zelten dürfen. Sofort werden die heiβen! Duschen gestürmt und wahre Duschorgien veranstaltet, damit man nach dem Essen fein rausgeputzt ins Städtchen gehen kann …

Do 7.8.: … 20km Paddeln und Umtragegerödel, da machen wir erst mal in Budweis Pause. Der laut Fahrtenplan anstehende Stadtrundgang wird zum Anlass genommen, möglichst viel essbares zu ergattern … Erfolgreich war auch das Auffüllen der Gasflasche und vor allem so billig, dass Chris und Michael per Taxi auch noch die 2. Flasche füllen lieβen. Die lange Pause fordert ihren Tribut, wir müssen einschlieβlich nerviger Umtragestellen bis in die Dämmerung  auf der Suche nach einer wilden Zeltmöglichkeit paddeln. Eine kurze Pause gönnen wir uns in Hlubocka, besichtigen das Schloss vom Wasser aus und bunkern Frischwasser, braunes süβes sprudelndes Wasser und bitteres gelbes schäumendes Wasser … Wir sollten uns endlich merken, dass 4 kg Nudeln reichen …

Fr. 8.8.: … Lagertag und trotzdem kriechen wir früh aus den Zelten:  Sonne am wolkenlosen Himmel. Wir dösen, lesen, spielen bis uns nachmittags aufziehende Gewitterwolken von der drückenden Schwüle erlösen. Leider kennt das Wetter kein richtiges Maβ, es regnet und das Wasser flieβt in Bächen durch unsere Feldküche … Die Hitze fordert ihr erstes Opfer. Jan fällt aus wegen Sonnenstich …

Sa 9.8.: … Der letzte Paddeltag. Ein Blick in die Boote zeigt, wie lange es geregnet hat, zu lange! Wir bilden eine Kette, um die Boote über die steile Böschung zu beladen … Die Gewitterstimmung hält an und von Blasenregen bis Sonne machen wir heute alles mit … Der Campingplatz in Tyn liegt verlassen an der Moldau, aber als geübte Wildzelter schreckt uns das nicht ab und Spaten und Klorolle gehören zu unserem sanitären Standard, wenn nur nicht der Boden so steinig wäre! … Kerstin meint, ich soll das Lager-Aufbau-Chaos im Bild festhalten … wenn nur nicht die mit uns zeltenden Käfermückenfliegenbrennesselplagegeister da wären … Das Lager steht, bleibt die übliche Frage: „Was essen wir?“,  die wie üblich mit „Mal sehen, was es im Supermarkt gibt!“ beantwortet wird. Ob der Einkaufstrupp alles tragen kann? Aber ich unterschätze die Kräfte unserer Jugend. Locker, lässig kommen sie schwerst bepackt mit Bierkasten, Flaschen, Frischwasser  und Lebensmitteln zurück: …in die Hocke, hoch das Bein! … Yvonne ist das nächste Sonnenstichopfer … xxkm

So 10.8.: … Wir genieβen das Lagerleben und paddeln zum Bummeln nach Tyn, während Chris und Michael die Autos holen. Im einzigen Lebensmittelladen stehen wir ziemlich ratlos vor quasi leeren Regalen und einer ebenso ratlosen tschechischen Verkäuferin, die nach einigem überlegen tatsächlich noch 4 kleine Hühnerbrüstchen aus dem Kühlfach holt, also gibt es Chinesisch süβ-sauer … gottseidank haben die Autofahrer am Straβenrand eine Kiste Steinpilze gekauft, da uns aus den Hühnerbrüstchen Würmer anlachen … Keiner meldet sich zum leidigen Spüldienst, den ich dann mit Nic erledige, während wir den oktavschwankenden Gesängen der anderen lauschen. Mit Patric, Sven und Kai sitzen wir singend und erzählend bis spät in die Nacht um die Petroleumlampe. Bevor wir uns in die Schlafsäcke kramen, hocken wir uns bei sternklarem Himmel noch mal schnell ins Gras und nur der Nachttau hindert uns daran, den Himmel im liegen zu betrachten …

Mo 11.8.: Packen! Erst die Klamotten, dann die Zelte, den Lagerkram und die Boote. Mein Gott, haben wir viel Kram. Was in die Autos passt, wird eingeladen, der Rest fährt mit dem Zug nach Prag. Es ist glühend heiβ, was Heiner nicht daran hindert, seine Gummistiefel als ideale Reiseschuhe anzuziehen … Auf dem Zeltplatz in Prag erspähen wir sofort die Spitzen unserer Tipis und lieblicher Duft schlägt uns entgegen. Ein Lob an René und die anderen Köche für das vorzügliche Chili con Carne. Obwohl, ich weiβ nicht, einigen hat´s geschmeckt, anderen hat´s gleich mehrfach geschmeckt!

Di 12.8.: … Lagerleben, Besichtigung der goldenen Stadt und endlich Taschengeld ausgeben … Wir lassen uns durch Prag treiben, genieβen die alten Häuser, die Atmosphäre, treffen John Lennon mit seiner Jukebox und erleben die Karlsbrücke im Gegenlicht der untergehenden Sonne, die mächtigen Figuren heben sich als Silhouetten vom Himmel ab und die Sonne taucht das Panorama am gegenüberliegenden Moldauufer in goldenes Licht … Aufregung zwischendurch: Elsa und Berit sind im Stadtgewühl kurzfristig verloren gegangen …

Mi 13.8.: … Wir wollen uns noch den Hradschin mit seiner äuβeren Burganlage und derGoldmachergasse ansehen. Unglaublich, wie viel Menschen hier sind … Die Besichtigung des Jüdischen Viertels ist zwar interessant, aber nicht jedermanns Sache. Wir treffen uns am Altstädter Ring, wo die ganze Truppe auf den Stufen des Husdenkmals sitzt. Die ganze Truppe? Nein! Indra, Bodo und Michael führen unter Regie eines Stepptänzer eine Art Cotton Club vor. Klarer Verlierer am Ende der Szene: der badboy, Applaus für Michael. Der ewig strahlende goodboy führt die zu Beginn unentschlossene Dame als Sieger vondannen, Applaus für Bodo und Indra!

Do 14.8.:  … Pünktlich gegen 10h versammeln wir uns zu einem Gruppenfoto, winken den Autofahrern hinterher und machen uns auf den Weg zum Bahnhof. In Prag werden die letzten Kronen unter die Leute gebracht, die Zugabteile belegt und nachdem fast alles an Proviant verputzt ist, laufen wir im Aachener HBf ein, auf dem Bahnsteig Eltern, Geschwister und sogar Chris und Arne, die mit dem Auto schneller waren. Ich kann es noch gar nicht fassen, dass die 3 Wochen vorbei sind. (Anja, Arne, Benni, Berit, Chris, Christian, Elsa, Heiner, Hildegard, Indra, Jan, Kai, Kerstin, Martin, Michael, Nic, Patric, Ulli, René, Sebastian,  Sven, Yvonne)